Erinnern Sie sich noch an den Juni des Jahres 2000, als sich die sensationelle Nachricht über den Globus verbreitete, dass das menschliche Genomentschlüsselt sei? Bill Clinton sparte damals nicht mit Superlativen, als er auf einer eilig anberaumten Feierstunde im weißen Haus verkündete: „Heute lernen wie die Sprache, mit der Gott das Leben geschaffen hat!“ In den nächsten Wochen und Monaten habe ich jeden Morgen mit vor Aufregung zitternden Händen die Ärzte-Zeitungen aufgeschlagen und Schlagzeilen erwartet, wie: „Der Krebs ist besiegt!“ – „Das Ende der Erbkrankheiten!“ oder „Nie wieder Alterszucker!“ Doch was kam? – Bis heute nichts!
Akademisch mag das Alphabet der Gene ja interessant sein, praktischen Nutzen haben wir bis dato dadurch keinen. Was wir gelernt haben: Die Gene sind viel unwichtiger als wir zuvor glaubten. Es ist viel mehr unsere Lebensweise, welche die Gene bzw. eine erbliche Vorbelastung an oder ausschaltet. Bestes Beispiel dafür ist der Alterszucker – heute Diabetes Typ II genannt. Das ist die am häufigsten vererbte Stoffwechselkrankheit. Mindestens 30 % von uns haben die genetische Veranlagung, daran zu erkranken. Während des Krieges und in den mageren Jahren danach gab es praktisch keinen Alterszucker. Heute bekommen durch fettes, zuckerreiches Essen und mangelnde Bewegung schon Schulkinder Alterszucker. Das ist der Grund, warum Alterszucker jetzt in Diabetes Typ II umbenannt wurde.
Ähnlich verhält es sich mit Alzheimer und Demenz. Es sind rund 10 Risikogene entlarvt worden, die bei der Entwicklung der Demenz zusammenwirken. Doch einer genetischen Veranlagung sind wir nicht schutzlos ausgeliefert! Lebenswandel und Prävention entscheiden in einem hohen Maß über geistige Frische oder verkümmerte Hirnzellen im Alter. Nicht nur für unser persönliches Schicksal ist das wichtig. Die volkswirtschaftlichen Kosten sind schon heute unübersehbar. Bis 2050 rechnen wir mit einer Verdoppelung bis Verdreifachung der Erkrankungszahlen. Schon heute sind Alzheimer und Demenz Volkskrankheiten – und werden laut WHO bald die häufigsten Krankheiten überhaupt sein. Grund genug zu handeln!
Die Krankheit braucht Jahrzehnte, um sich zu entwickeln. In dieser langen Phase wird Wohlverhalten später belohnt werden, Fehlverhalten jedoch durch ein früheres Ausbrechen der Demenz bestraft. Grundsätzlich gilt: was gut für das Herz ist, ist auch gut für das Gehirn. Darum müssen Blutfette, Blutdruck und Blutzucker engmaschig kontrolliert bzw. korrigiert werden. Nicht zu unterschätzen ist der Effekt der körperlichen Bewegung auf das Gehirn! Die Benefits eines regelmäßigen moderaten Ausdauertrainings auf das Herzkreislaufsystem sind bereits eindrucksvoll beweisen. Was aber viele nicht wissen: durch Bewegung der Beine werden doppelt so viele neue Synapsen zwischen den Gehirnzellen geschaffen, wie durch ein Gedächtnistraining. Dadurch bekommt das Wort „Gehirnjogging“ eine ganz neue Bedeutung.
Einen enormen Einfluss hat auch die Ernährung. Mediterrane Kost mit Vitaminen, Antioxidantien und Flavonoiden aus Obst und Gemüse, Olivenöl und viel frischem Fisch wirken präventiv. Meiden Sie generell die Omega-6-Fette, und suchen Sie die mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Als Faustregel dafür gilt: essen Sie keine Fette, die bei Raumtemperatur fest sind. Das gilt auch für die gehärteten Pflanzenfette. Die bei Raumtemperatur flüssigen Pfanzenöle sind sehr viel gesünder. Ausnahmen bilden nur die fetten Seefische wie Lachs, Makrele und Hering, die sehr gute Omega‑3 Lieferanten sind. Wer zusätzlich 2 – 3 Esslöffel Leinöl täglich zu sich nimmt, tut seinem Gehirn ebenfalls etwas Gutes. All diese Maßnahmen zusammen können – und das ist bewiesen – die Symptome einer schon bestehenden Alzheimer-Demenz abschwächen.
Last but not least bin und bleibe ich ein Verfechter der gezielten Vitaminsubstitution. Im täglichen Leben haben wir nicht immer die Zeit und die Gelegenheit, auf eine richtige vitamin- und vitalstoffreiche Ernährung zu achten. Alles was gekocht ist, wurde von Vitaminen befreit oder ist zumindest verarmt. Das macht zwar auch satt, ist aber nicht immer gesund. Kein Tier der Welt kocht sein Essen. Demenz ist im Tierreich unbekannt. Im Blut meiner Patienten messe ich darum ganz genau nach, ob wirklich genügend „Nervenvitamine“ wie Folsäure, Vitamin-B-Komplex, Omega-3-Fettsäuren, Spurenelemente etc. vorhanden sind. Nur weil das meistens nicht gemessen wird, heißt das nicht, dass wir hier alle ausreichend versorgt sind. Der gezielte Ausgleich dieser Defizite wirkt oft Wunder. Natürlich ersetzt das nicht – und hier sind wir uns alle einig – das möglichst gesunde Essen, kontrollierte Blutfette und die regelmäßige Bewegung.